Aus dem ETF-Magazin: "Trendwende für Anleihen"
Sinkende Zinsen bescheren Anleihen wieder attraktive Kursgewinne. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen. Mit den richtigen Renten-ETFs lässt sich davon profitieren. Das ETF Magazin nennt einige.
2. Oktober 2024. MÜNCHEN (ETF Magazin). Nun ist es wohl wirklich soweit. Mitte September wird die US-Zentralbank (Fed) höchstwahrscheinlich die Leitzinsen senken. Das hat Fed-Chef Jerome Powell ziemlich klar angedeutet. „Die Zeit ist gekommen, die Geldpolitik anzupassen“, erklärte Powell in seiner Rede auf der Zentralbank-Konferenz in Jackson-Hole. Geldanleger applaudieren, denn wenn die Zinsen sinken, lässt sich mit Anleihen und Renten-ETFs wieder gutes Geld verdienen.
Nicht nur in den Vereinigten Staaten werden die Zinsen sinken. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte sogar noch vor den Amerikanern lockern. Schon im Juni preschte die EZB mit einer ersten Zinssenkung vor. Jetzt wollen immer mehr Währungshüter nachlegen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung am 12. September auf 98 Prozent taxiert.
„Wir rechnen damit, dass die EZB bei ihrer September-Sitzung ihren Kurs beibehält und ihre zweite Leitzinssenkung im noch jungen Zyklus durchzieht“, sagt Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, stellvertretend für viele andere Marktteilnehmer. Fast alle Strategen gehen auch davon aus, dass in den nächsten Monaten weitere Zinssenkungen folgen. Von Reuters befragte Volkswirte erwarten mit sehr großer Mehrheit eine Zinssenkung um jeweils 0,25 Prozentpunkte sowohl im September als auch im Dezember.
An der Wall Street rechnet man sogar mit bis zu acht Senkungen der Fed: jeweils eine Senkung bei den drei verbleibenden Fed-Sitzungen im Jahr 2024, im kommenden Jahr dann weitere. Die Wirtschaftsprognosen der Fed selbst deuten auf vierteljährliche Senkungen um jeweils 0,25 Prozent bis Ende 2026 hin. Der langfristige Leitzins soll demnach bei 2,8 Prozent liegen. Eine Absenkung auf dieses Niveau wäre eine heftige Kursänderung. Seit März 2022 erhöhte die Fed elf Mal die Leitsätze von 0 Prozent auf aktuell 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Nun könnten sie sich innerhalb von nicht einmal 18 Monaten halbieren.
Vorsicht Falle
Viele Anleger scheinen die Entwicklung nicht wahrzunehmen: In geldmarktnahen Fonds und ETFs schlummern weiterhin Rekordsummen. Bislang war das eine gute Sache: Geldmarktfonds haben wenig Risiko und bieten (noch) attraktive Renditen. In Euro sind etwa drei Prozent zu haben, in US-Dollar sogar mehr als fünf Prozent. Doch wenn jetzt die Zinssenkungen kommen, werden die Renditen der Geldmarktfonds sofort fallen.
Anders sieht es bei Renten-ETFs aus. Bei sinkenden Zinsen sinken, lässt sich mit solchen preiswerten Anleihenfonds gutes Geld verdienen. Sinkende Zinsen bedeuten steigende Kurse. Das ist ein unumstößliches Gesetz am Rentenmarkt. Die Kurse der Anleihen bewegen sich stets in die entgegengesetzte Richtung wie die Renditen. Je länger die Restlaufzeit einer Anleihe, desto stärker reagiert der Anleihenkurs auf eine Veränderung der Rendite.
„Für Anleger ist der Zeitpunkt gekommen, am Anleihenmarkt offensiver zu agieren und den sicheren Geldmarkt-Hafen zu verlassen“, appelliert denn auch Michael Weidner, Portfoliomanager bei Lazard Asset Management. Offensiv bedeute dabei nicht, hohe Kreditrisiken einzugehen, sondern in Zinspapiere mit etwas längeren Laufzeiten zu investieren. „Selektiv in Anleihen umzuschichten, erscheint sinnvoll“, raten auch die Strategen der Vermögensverwaltung DJE Kapital. Anleihen bleiben nach ihrer Einschätzung besonders im mittleren Laufzeitbereich interessant. Eine „graduelle Durationsverlängerung“ sei jetzt angebracht.
Warum sich längere Laufzeiten lohnen dürften, lässt sich leicht erklären. Sinkt die Rendite in den nächsten zwölf Monaten nur um einen Prozentpunkt, bringen US-Staatsanleihen mit zwei Jahren Restlaufzeit einen Gesamtertrag von etwa fünf Prozent, rechnen die Anlagestrategen von J.P. Morgan Asset Management vor. Ein Rückgang um zwei Prozentpunkte würde einen Gewinn von etwa sieben Prozent zur Folge haben. Bei Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit wäre der Kursanstieg in beiden Szenarien wesentlich ausgeprägter. Ein einprozentiger Zinsrückgang brächte ein den Langläufern ein Plus von zwölf Prozent. Ein Rückgang um zwei Prozentpunkte müsste sogar einen Gewinn von 20 Prozent zur Folge haben.
Profi-Anleger sind bereits auf den anrollenden Zug aufgesprungen. Das zeigt schon der Rendite-Rückgang bei US-Staatsanleihen in den vergangenen Monaten. Allein aufgrund der Erwartung sinkender Zinsen reduzierte sich die Rendite der US-Staatsanleihen seit Ende April um fast einen Prozentpunkt. In Europa sanken die Renditen ebenfalls, wenngleich weniger ausgeprägt. Auch in der monatlichen Umfrage der Bank of America unter fast 200 professionellen Fonds- und Portfoliomanagern wird ein Umdenken sichtbar. Anfang Juli hielten die Profis in ihren Portfolios noch neun Prozent weniger Anleihen als üblich. Anfang August gaben dagegen netto acht Prozent an, dass sie jetzt Anleihen übergewichten. Der ETF-Markt spiegelt das neu erwachte Interesse an Zinspapieren bereits wider. Mit rund zehn Milliarden Euro Mittelzufluss, gehörten Renten-ETFs im Juli zu den gefragtesten Indexfonds.
Knapp 600 Renten-ETFs werden an Xetra, dem elektronischen Handelssystem der Deutschen Börse, gehandelt. Ungefähr die Hälfte der Anleihen-ETFs konzentriert sich auf Staatsanleihen, mehr als ein Drittel investieren in Unternehmensanleihen. Weitere ETFs verwalten ein gemischtes Portfolio mit Staats- und Unternehmensanleihen. Wer sich die Liste der Renten-ETFs (ab Seite 51) anschaut, erkennt: Die ETFs differenzieren sich nicht nur nach Art der Anleihenemittenten, also nach Staaten oder Unternehmen, sondern auch nach weiteren Kriterien.
Vielfältiges ETF-Angebot
Unterschieden wird nach regionaler Herkunft der Emittenten beziehungsweise nach der Währung der Anleihen, nach ihrer Bonität und häufig auch der Restlaufzeit der Anleihen im Portfolio. So investiert der größten Renten-ETFs, der iShares Core Euro Corporate Bond ETF, in Euro-Unternehmensanleihe mit guter bis sehr guter Bonität und mit kurzen und langen Restlaufzeiten. Der iShares Euro Corporate Bond 1-5 yr ETF kauft dagegen nur Anleihen mit einer Restlaufzeit bis fünf Jahren. Bei Staatsanleihen-ETFs sind die Grenzen häufig noch enger. So lässt sich zum Beispiel mit dem Amundi Euro Government Bond 7-10 Y ETF ganz gezielt auf europäische Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von sieben bis zehn Jahren setzen. Um den rechtzeitigen Kauf und Verkauf der einzelnen Anleihen kümmert sich dabei der ETF-Emittent.
Zinsexperten gefallen solche ETFs mit definierter Duration. So können sie sich mit einem diversifizierten Portfolio genau dort auf der Zinskurve positionieren, wo sie das größte Potenzial erkennen. Das kann sich lohnen: In den vergangenen drei Monaten kletterte etwa der Kurs des Invesco US Treasury Bond 10+ Year um mehr als sechs Prozent – und war damit lukrativer als Aktien-ETFs auf den S&P-500-Index.
Von Uli Kühn, September 2024, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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