Aus dem ETF-Magazin: "Clever vorbeugen"
Wer eine bevorstehende Korrektur am Aktienmarkt befürchtet, sollte das Portfolio mit geeigneten Investments absichern. Einige ausgefeilte ETFs bieten sich dafür an. Das ETF Magazin stellt sie vor.
23. Juli 2024. MÜNCHEN (ETF Magazin). An der Börse ist alles möglich. Auch das Gegenteil“, witzelte der 1999 verstorbene Börsenpapst André Kostolany. Der Spekulant und Bestseller-Autor erinnert mit seinem Bonmot daran, dass die Börse keine Einbahnstraße ist und auf tolle Gewinne mitunter plötzliche Rückschläge folgen. Angesichts der starken Kursgewinne seit Jahresbeginn und der teils sehr hohen Bewertungen könnte jetzt die Zeit reif für eine Korrektur sein. Doch aus Angst vor Verlusten jetzt Aktien in Bargeld zu tauschen, dürfte auch nicht die beste Strategie sein. „Wer Aktien nicht hat, wenn sie fallen, der wird sie auch nicht haben, wenn sie wieder steigen“, wusste Kostolany. Ein Ausweg aus diesem Dilemma: Investiert bleiben, aber mit schlauen Investments die Folgen eines Kurseinbruchs abfedern. Mit ETFs ist auch das machbar.
Der einfachste Schutz vor den Folgen größerer Kursrückgänge ist natürlich die Diversifikation über verschiedene Anlageregionen und Anlageklassen. So brachten chinesische Aktien im Jahr 2020 ordentliche Gewinne, während die Börsen in Europa im Corona-Schock zusammenbrachen. 2022 waren Öl- und Industrierohstoffe ein lukratives Investment, im Gegensatz zu europäischen und amerikanischen Aktien.
Anleihen bieten nur begrenzt Schutz vor Verlusten am Aktienmarkt. Anleihen sind zwar weniger volatil als Aktien und bieten in Krisenzeiten eine gewisse Stabilität, doch ihre Fähigkeit, ein gesamtes Portfolio abzusichern, ist eingeschränkt. Denn auch wenn die Zinsen inzwischen wieder über null liegen, dürften die Einkünfte aus Anleihen in der Regel nicht ausreichen, um Verluste im Aktienportfolio auszugleichen. Zudem fallen häufig auch die Kurse der Anleihen, wenn es am Aktienmarkt bergab geht. Sogar Staatsanleihen hätten im Stress-Phasen „eine niedrigere Rendite und ein höheres Volatilitätsniveau“, berechneten die Analysten der Unternehmensberatung Mercer. Besonders deutlich wurde die positive Korrelation zwischen Aktien und Anleihen im Jahr 2022, als beide Anlageklassen gleichzeitig den Rückwärtsgang einlegten.
Besser geeignet zur Diversifizierung ist der wohl älteste Wertspeicher der Welt: Gold gilt seit Jahrtausenden als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten. Durch die Beimischung von Gold ins Portfolio können Anleger ihre Verluste in turbulenten Marktphasen reduzieren, berechnete Mercer. Dabei kann das Edelmetall sogar noch einen weiteren Trumpf ausspielen: Im Gegensatz zu manch anderer Absicherungstechnik hat Gold in den letzten Jahrzehnten nicht Geld gekostet, sondern ordentlich Rendite gebracht.
Andererseits gibt es natürlich keine Garantie dafür, dass der Goldpreis auch künftig weiter steigt und Verluste der Aktien abfedert. Zuverlässiger funktionieren in dieser Hinsicht Absicherungsstrategien mit Optionen und Terminkontrakten. Bei ihnen lassen sich die erwarteten Erträge und die implizierte Versicherungsprämie ziemlich exakt berechnen. Ob sich diese Art der Absicherung lohnt, ist eine andere Sache. Außerdem sind solche Derivate-Strategien eine komplexe Angelegenheit, die nicht für alle Anleger infrage kommt.
Etwas einfacher geht es mit ETFs, die Absicherungsstrategien umsetzen. Global X bietet eine Reihe solcher ETFs an, unter anderem den Global X S&P 500 Annual Tail Hedge ETF; von Amundi gibt es einen ETF, der mit Volatilitäts-Futures arbeitet.
Xetra-Gold
Gold hat sich als robuste Anlageklasse erwiesen und trägt insbesondere in Krisenzeiten zur Stabilität im Portfolio bei“, resümieren Analysten der Unternehmensberatung Mercer in einer aktuellen Studie. Begründung: In schwierigen Börsenzeiten hätte sich Gold deutlich standfester erwiesen als Aktien und Anleihen. In der Konsequenz führte diese Stabilität zu einer langfristig hervorragenden Wertentwicklung des Edelmetalls, das heute achtmal teurer ist als zu Beginn des Jahrtausends.
Doch nicht nur die Kursgewinne, sondern vor allem die guten Diversifikationseigenschaften des Edelmetalls sprechen für ein Investment, resümiert Mercer. „Die Ergebnisse unserer quantitativen Analyse zeigen, dass eine Investition in die Anlageklasse Gold eine sinnvolle Diversifizierung für ein Portfolio mit Aktien großer Marktkapitalisierung und Staatsanleihen der Eurozone bietet, speziell in Krisenzeiten“, schreiben die Analysten. Kein Wunder: Häufig steigt der Goldpreis, wenn die Aktienmärkte nach unten rauschen. Sehr deutlich wurde das zuletzt im Corona-Crash 2020. Auch in vielen früheren Krisen kletterte der Goldpreis nach oben.
Wer die Diversifikationseigenschaften des Edelmetalls nutzen will, muss sich nicht Goldbarren in den Safe legen. Einfacher geht es mit einem physisch besicherten Gold-ETC wie Xetra-Gold. Anteile dieses ETCs verbriefen jeweils genau ein Gramm Gold. Xetra-Gold kann wie eine Aktie jederzeit über eine Börse ge- und verkauft werden, unkompliziert und preiswert. Bei Bedarf können sich Anlegende ihr verbrieftes Gold auch nach Hause liefern lassen.
Volatilitäsindex ViX
Volatilität ist im Grunde nur ein anderes Wort für starke Kursauschläge bzw. Turbulenzen am Aktienmarkt. Volatilitäts-Indizes packen die Schwankungen in eine greifbare Zahl – und lassen sich damit als Basis für Strategien nutzen, die heftige Kursverluste ganz oder teilweise kompensieren.
Das Prinzip ist einfach: Im Crash steigt die Volatilität, gemessen an einem Volatilitäts-Index, noch stärker an, als die Aktienkurse sinken. Ein Long-Investment in solch einen Volatilitäts-Index führt demzufolge im Crash zu einem ordentlichen Gewinn. Schon eine relativ kleine Long-Vola-Position wirkt also gut als Stoßdämpfer.
Der Amundi S&P 500 VIX Futures Enhanced Roll ETF setzt solch eine Strategie um. Der ETF investiert dazu in Terminkontrakte, die den VIX-Index abbilden. Der VIX misst die erwartete Volatilität des S&P-500-Index, abgeleitet aus den Preisen von Call- und Put-Optionen auf den S&P-500-Index. Bei heftigen Kurseinbrüchen schnellt der VIX rasant nach oben – und mit ihm der Kurs des ETFs. Besonders deutlich wurde das im Corona-Crash 2020 (s. Grafik). Aber auch im schwierigen Aktienjahr 2022 entwickelte sich der ETF zeitweise besser als der Aktienmarkt. Schlechter läuft er dagegen in Zeiten steigender Aktienkurse, in denen meist die Volatilität zurückgeht. Auch in Phasen gleichbleibender Volatilität kostet diese Absicherungsstrategie etwas Geld, ähnlich wie eine Versicherung. Zum Kaufen und liegen lassen ist der ETF deshalb eher nicht geeignet, wohl aber als Beruhigungsmittel für Anlegende, die mit einem nahen Kurseinbruch rechnen.
Absicherung
Put-Optionen sind ein seit langen genutztes Instrument zum Schutz vor größeren Kursverlusten. Eine Put-Option gibt das Recht, Aktien zu einem festgelegten Kurs zu verkaufen, auch wenn der
Kurs zum Verkaufszeitpunkt viel niedriger liegt. Im Prinzip wirken die Put-Optionen also wie eine Versicherung. Man zahlt beim Kauf eine Prämie und im Schadensfall werden Verluste ganz oder teilweise ersetzt. Kommt es nicht zum Schaden, gibt es die Prämie natürlich nicht zurück. Deswegen sorgen die Put-Optionen zwar im Crash für einen Verlustausgleich. Bei steigenden Aktienkursen gehen die Kosten der Puts dagegen zulasten der Rendite.
Der seit vergangenem November an der Frankfurter Börse gelistete Global X S&P 500 Annual Tail Hedge ETF verwendet in etwa solch eine Optionsstrategie, um die Verluste eines Investments in den S&P-500-Index zu begrenzen. Abgesichert werden dabei Kursrückgänge zwischen 5 Prozent und maximal 35 Prozent. Gewinne sind dagegen auf etwa 10 Prozent begrenzt. Die Absicherungsstrategie des ETFs ist jeweils für den Zeitraum eines Kalenderjahres ab Starttermin ausgelegt. Deswegen kann die Höhe des Puffers während der Laufzeit variieren.
Wie die bisherige Kursentwicklung des ETFs zeigt, funktioniert die Absicherung bislang wie zu erwarten. Bei steigenden Aktienkursen bleibt der ETF hinter dem Markt zurück, bei nachgebenden Kursen zeigt sich der ETF-Kurs relativ stabil. Einen echten Crash-Test muss dieser junge ETF allerdings erst noch absolvieren.
Von Wilhelm Nordhaus, Juni 2024, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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