Aus dem ETF-Magazin: "Einfach clever konstruiert"
ETFs werden immer häufiger für aktive Anlagestrategien eingesetzt. Das klingt widersprüchlich, ist aber oft im Sinn der Anlegenden - nicht zuletzt wegen erheblicher Kostenvorteile, weiß das ETF Magazin.
23. Januar 2024. MÜNCHEN (ETF Magazin). Mehr und mehr Fondsgesellschaften bieten heute aktive Anlagestrategien in Form von ETFs an. Das wirkt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch zur ETF-Idee. Doch aktive ETFs sind weder Mogelpackung noch Marketing-Masche. Die Verpackung einer aktiven Anlagestrategie in einer ETF-Hülle bringt Anlegern echten Mehrwert gegenüber traditionellen, aktiv gesteuerten Investmentfonds. Ein Blick auf die wesentlichen Elemente und Stärken der ETFKonstruktion fördert diese Vorteile schnell zutage.
Exchange Traded Funds, abgekürzt ETF, werden hierzulande häufig salopp als börsengehandelte Indexfonds bezeichnet. Doch diese Definition kann in die Irre führen. Warum? Zunächst muss festgehalten werden, dass es sich bei ETFs und Indexfonds um zwei grundlegend unterschiedliche Anlage-Instrumente handelt. Glücklicherweise ist das den meisten Anlegern bewusst. Angesichts der Tatsache, dass sich die meisten ETFs auf einen Index beziehen, wird eines allerdings gerne übersehen: in der Bezeichnung "ETF" ist das Wort »Index «nicht enthalten – und das aus einem triftigen Grund.
Zwar bestand die Ursprungsidee von ETFs darin, über die Nachbildung von breiten Standard-Indizes eine effiziente Möglichkeit für Investitionen in "den Markt" zu schaffen, allerdings wurde mit dem ETF ein Instrument entwickelt, das weitaus mehr zu bieten hat als die reine Indexnachbildung. Um die Eigenschaften eines ETF besser zu verstehen, kann es hilfreich sein, diesen zunächst unabhängig von seinem Inhalt zu betrachten. Was dann übrig bleibt, ist eine rechtliche Hülle – und genau so sollte ein ETF gesehen werden – als moderne und effiziente Verpackungsform, nicht mehr und nicht weniger.
Auch das Konstrukt eines klassischen Publikumsfonds stellt eine rechtliche Hülle dar, die die Bündelung von Anlagevermögen erlaubt, die dann in Form eines Sondervermögens bei einer Depotbank gehalten werden. Fonds sind offene Anlagevehikel, deren Anzahl ausstehender Anteilsscheine, entsprechend der Nachfrage, flexibel erhöht oder verringert werden kann. Die genannten Punkte treffen uneingeschränkt auch auf ETFs zu. Der entscheidende Unterschied zu klassischen Fonds besteht nun darin, dass ETFs für den Börsenhandel konzipiert sind und dadurch zusätzliche Eigenschaften bieten, die Anleger zuvor nur von Aktien kannten.
Cleverer Prozess
In der technischen Umsetzung geschieht dies durch die Einbindung von Market-Makern bzw. Authorized Participants (APs), die für die Funktionsfähigkeit des ETF-Markts eine zentrale Rolle einnehmen. In der Praxis sind sehr viele APs auch gleichzeitig Market-Maker, sodass die Begriffe häufig in Kombination vorzufinden sind.
Als Market-Maker werden professionelle Händler bezeichnet, die sich neben der Verfügbarkeit von ETFAnteilen auch für die fortlaufende Preisstellung verantwortlich zeichnen. APs sind Marktteilnehmer, denen es durch eine spezielle vertragliche Anbindung an den ETF-Anbieter möglich ist, neue Anteilsscheine eines ETF zu kreieren oder bestehende Anteilsscheine zurückzugeben. Allein der AP entscheidet dabei, ob eine Creation oder Redemption notwendig ist.
Der Creation- und Redemption-Prozess unter Einbindung von APs bedingt einige entscheidende Eigenschaften von ETFs, wie etwa die effiziente Preisstellung. ETF-Anteile und die zugrunde liegenden Wertpapiere des ETF-Portfolios (Basket) werden in unterschiedlichen Marktsegmenten gehandelt, wodurch sich grundsätzlich auch unterschiedliche Preise ergeben könnten. Da APs allerdings flexibel ETF-Anteilsscheine gegen den jeweiligen Basket austauschen können, sind beide durch eine Arbitrage-Möglichkeit verbunden, sodass der ETF in aller Regel sehr nahe seines »fairen Werts« notiert.
Ferner kann durch die APs sichergestellt werden, dass jeder Anleger lediglich die durch seine Kauf- bzw. Verkaufsorder verursachten Handelskosten trägt. Dies geschieht dadurch, dass der AP im Falle einer (In-Kind) Creation zunächst die Wertpapiere des Basket erwirbt und diese anschließend kostenneutral in den ETF einliefert – gegen die Ausgabe neuer Anteilscheine. Im Falle einer Redemption liefert der ETF die entsprechenden Wertpapiere an den AP, welcher diese anschließend veräußert. Die dabei entstehenden Handelskosten werden dem Anleger über den ETF-Spread weiterverrechnet. Investoren, die schon Anteile des ETFs halten, werden somit durch die Handelskosten anderer Anlegenden nicht belastet.
Die Anwendung des Verursacherprinzips scheint an dieser Stelle eine Selbstverständlichkeit zu sein. Bei klassischen Fonds ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Hier stehen Investorende in direktem Kontakt mit den Fondsanbietern. Bei einem Kaufauftrag zahlen sie Geld in das Sondervermögen ein und erhalten dafür neu ausgegebene Fondsanteile zum Net Asset Value (NAV). Das Fondsmanagement steht nun vor der Herausforderung, die Barmittel der Anlegenden zu investieren, wobei stets Handelskosten anfallen. Diese Kosten werden nach dem Solidarprinzip von allen getragen, die Anteile des Fonds halten, sofern kein Swing-Pricing zum Einsatz kommt. Diese Transaktionskosten können die Kostenbelastung eines traditionellen aktiven Fonds nicht unwesentlich erhöhen.
Wichtige Helfer
Ein effizienter Börsenhandel wäre bei vielen ETFs ohne die Einbindung professioneller Market Maker nur schwer vorstellbar. Die Börse ist ein zentraler Handelsplatz, an welchem sich Käufer und Verkäufer treffen. Grundsätzlich ist der Börsenhandel bei ETFs damit ein sehr effizienter Teil des Sekundärmarkts, da hier Orderaufträge in bestehenden ETF-Anteilen ausgeführt werden. Dies geschieht über das Orderbuch, welches offene Kauf- bzw. Verkaufsaufträge auflistet und zusammenführt.
Aufgrund der Vielzahl von Produkten und Handelsplätzen gibt es jedoch eine Reihe von ETFs, die nur eine geringe Handelsaktivität an der Börse aufweisen. Um dennoch einen liquiden Börsenhandel zu gewährleisten, werden Market-Maker damit beauftragt, fortlaufend Kurse zu stellen und dadurch an der Börse als Gegenpartei aufzutreten. Auch bei Börsenorders handeln Anleger somit de facto häufig mit einem Market-Maker.
Aufgrund ihrer technischen Ausgestaltung weisen ETFs gegenüber klassischen Publikumsfonds einige entscheidende Vorteile auf, die sie zu einer äußerst effizienten Verpackungsform machen und zu der etwas provokativ formulierten These verleiten, dass ETFs eine Weiterentwicklung der klassischen Fondshülle darstellen, sozusagen Fonds 2.0 sind. An erster Stelle ist sicherlich die hohe Transparenz zu nennen. So veröffentlichen ETF-Anbieter in der Regel täglich die genauen Wertpapierbestände ihrer Produkte und ermöglichen Investoren dadurch eine volle Durchschau auf die gehaltenen Einzeltitel. Mit dieser Information ist es Anlegern möglich, über die verschiedenen Positionen ihres Portfolios hinweg Konzentrationsrisiken zu erkennen und diesen entgegenzusteuern.
Ein weiterer Aspekt ist die Liquidität, die eng mit der Transparenz verbunden ist. Durch die Kenntnis der Portfoliozusammensetzung ist es Market-Makern möglich, den fairen Wert von ETFs fortlaufend zu berechnen, Preise an der Börse zu quotieren und damit eine kontinuierliche Handelbarkeit sicherzustellen. ETFs können damit während der Börsenöffnungszeiten jederzeit zum aktuellen Kurs gekauft bzw. veräußert werden. Dabei haben Anleger große Flexibilität hinsichtlich der Handelsmöglichkeiten, da ihnen eine Vielzahl unterschiedlicher Orderarten, wie bspw. Market- oder Limit-Orders, zur Verfügung steht.
Als großer Vorteil von ETFs wird häufig auch ihre Kosteneffizienz angeführt. Dieses Argument gilt in erster Linie für Privatanleger, die bei ETFs von einer deutlich geringeren Managementgebühr profitieren und darüber hinaus keinen Ausgabeaufschlag entrichten müssen. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist, dass bei ETFs allen Anlegern dieselben Anteilsklassen zur Verfügung stehen, unabhängig von der Investitionssumme.
Die genannten Vorteile sind zunächst rein auf die ETF-Hülle bezogen und damit weitgehend unabhängig vom Inhalt des ETFs. Doch müssen Anleger Abstriche machen, wenn sich ein ETF auf eine aktive Strategie anstelle eines Index bezieht? Aktive ETFs sind dadurch gekennzeichnet, dass diskretionäre Entscheidungen in die Portfoliokonstruktion einfließen. Neben dem eindeutigen Fall, bei dem das Management seine individuelle Anlagestrategie innerhalb des ETF umsetzt und frei über den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren entscheidet, gibt es eine Reihe von ETFs, die eine aktive Komponente aufweisen.
So werden etwa ETFs angeboten, die zwar in weiten Teilen einem quantitativen Modell oder einem Index folgen, darüber hinaus aber dem Management erlauben, Anpassungen vorzunehmen. Neben dem Management sind in Portfolioentscheidungen für gewöhnlich auch Research- und Händler-Teams eingebunden, sodass insgesamt ein nicht unerheblicher personeller Aufwand entstehen kann, der vergütet werden will.
Vor diesem Hintergrund sind aktive ETFs zwar meist etwas teurer als reine Index-ETFs, insbesondere für Privatanleger bleibt aber ein signifikanter Kostenvorteil gegenüber den für sie zugänglichen Anteilsklassen von klassischen Fonds bestehen. Auch bezüglich der Transparenz können aktive ETFs ein kleines Defizit aufweisen. Neben der Durchschau auf die durch den ETF gehaltenen Wertpapiere bieten Index-ETFs zusätzlich Transparenz hinsichtlich der Indexmethodologie, welche klar kommunizierten Regeln folgt. Je nachdem, wie stark die diskretionäre Komponente eines aktiven ETF ausfällt, ist dieser Aspekt hier zumindest eingeschränkt. Aktive ETFs sind aber auf jeden Fall deutlich transparenter als viele klassische Publikumsfonds, die meist nur zu halbjährlichen Stichtagen und mit einigen Monaten Verzug melden, welche Wertpapiere sie im Portfolio halten.
Richtige Wahl
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aktive ETFs den Anlegern nahezu alle Vorteile bieten, die auch für Index-ETFs gelten. Als liquide Instrumente sind sie jederzeit flexibel handelbar und weisen gegenüber klassischen Fonds meist wesentlich geringere Kosten sowie eine deutlich höhere Transparenz auf. Auch aktive ETFs werden von Market-Makern betreut und profitieren dadurch von einer akkuraten und fortlaufenden Preisstellung. Gleichzeitig sind bestehende Anleger vor den Handelskosten anderer Investoren geschützt, ohne dabei Swing-Pricing im Hinterkopf behalten zu müssen. Im Ergebnis können Anleger somit auch dann von der ETF-Hülle profitieren, wenn sie aktive Anlagestrategien bevorzugen. Diese Einschätzung wird von den jüngsten Marktentwicklungen gestützt, da mehr und mehr namhafte Gesellschaften damit beginnen, bestehende Publikumsfonds in ETFs umzuwandeln.
Von Michael Huber, Dezember 2023, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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