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Marktzyklen erkennen

Von Gil Blake, Chefanalyst des QuantumCompute Handelsinstituts

Liebe Anlegerinnen und Anleger,

in meinen drei Jahrzehnten an den Finanzmärkten hat sich eine Erkenntnis als besonders wertvoll erwiesen: Märkte bewegen sich in Zyklen. Das Verständnis dieser Zyklen kann den entscheidenden Unterschied zwischen mittelmäßigen und außergewöhnlichen Anlageergebnissen ausmachen. Heute möchte ich mit Ihnen teilen, wie Sie diese Marktzyklen erkennen und für Ihre Anlagestrategie nutzen können.

Die Grundstruktur von Marktzyklen

Wirtschafts- und Marktzyklen verlaufen typischerweise in vier Phasen:

1. Die Erholungsphase (frühe Bullenmarktphase)

Kennzeichen:

  • Wirtschaftsindikatoren erreichen ihren Tiefpunkt und beginnen sich zu erholen
  • Zentralbanken verfolgen eine expansive Geldpolitik
  • Unternehmensgewinne stabilisieren sich nach einer Abschwächung
  • Die Marktstimmung ist noch skeptisch trotz steigender Kurse

Gewinnerbranchen in dieser Phase:

  • Zyklische Konsumgüter
  • Finanzwerte
  • Kleinere Wachstumsunternehmen
  • Stark abgestrafte Qualitätsaktien

In dieser Phase habe ich persönlich immer die besten Ergebnisse erzielt, indem ich auf qualitativ hochwertige Unternehmen setzte, die während der vorangegangenen Baisse überverkauft wurden.

2. Die Expansionsphase (mittlere Bullenmarktphase)

Kennzeichen:

  • Beschleunigtes Wirtschaftswachstum
  • Steigende Unternehmensgewinne
  • Zunehmende Investitionsbereitschaft
  • Optimistische, aber noch nicht euphorische Marktstimmung

Gewinnerbranchen in dieser Phase:

  • Technologie
  • Industrie
  • Grundstoffe
  • Energie

Diese Phase bietet oft die ausgewogensten Anlagemöglichkeiten, da die meisten Sektoren von der wirtschaftlichen Expansion profitieren.

3. Die Abschwächungsphase (späte Bullenmarktphase)

Kennzeichen:

  • Anzeichen wirtschaftlicher Überhitzung
  • Zentralbanken beginnen mit geldpolitischer Straffung
  • Steigende Inflation und Zinsen
  • Euphorische Marktstimmung und spekulative Exzesse

Gewinnerbranchen in dieser Phase:

  • Defensive Konsumgüter
  • Gesundheit
  • Versorger
  • Qualitätsaktien mit Preissetzungsmacht

Meine Erfahrung zeigt: In dieser Phase ist erhöhte Vorsicht geboten. Reduzieren Sie graduelle riskante Positionen und erhöhen Sie den Anteil defensiver Werte.

4. Die Kontraktionsphase (Bärenmarktphase)

Kennzeichen:

  • Rückläufiges Wirtschaftswachstum bis hin zur Rezession
  • Fallende Unternehmensgewinne
  • Steigende Arbeitslosigkeit
  • Pessimistische Marktstimmung und Kapitulation

Gewinnerbranchen in dieser Phase:

  • Defensive Versorger
  • Basis-Konsumgüter
  • Bestimmte Gesundheitswerte
  • Cash und hochwertige Staatsanleihen

Dies ist die Phase, in der Kapitalerhaltung Vorrang vor Renditejagd haben sollte. Gleichzeitig entstehen hier die besten Kaufgelegenheiten für den nächsten Zyklus.

Meine bewährten Methoden zur Zykluserkennung

In drei Jahrzehnten aktiven Tradings habe ich verschiedene Indikatoren identifiziert, die zuverlässig Phasenübergänge signalisieren:

1. Makroökonomische Indikatoren

Frühindikatoren:

  • Einkaufsmanagerindizes (PMIs)
  • Auftragseingänge langlebiger Wirtschaftsgüter
  • Baugenehmigungen und Hausverkäufe
  • Verbrauchervertrauen

Spätindikatoren:

  • Arbeitslosenquote
  • Kapazitätsauslastung
  • Inflation
  • Unternehmensinvestitionen

Ich achte besonders auf Wendepunkte bei den Frühindikatoren, da sie Veränderungen des Wirtschaftszyklus um 3-6 Monate vorauslaufen.

2. Monetäre Indikatoren

Die Geldpolitik beeinflusst Marktzyklen maßgeblich:

  • Zinsstrukturkurve: Eine Inversion (kurzfristige Zinsen höher als langfristige) deutet oft auf eine kommende Rezession hin
  • Geldmengenentwicklung: Deutliche Veränderungen der Geldmenge wirken sich mit 6-18 Monaten Verzögerung auf die Wirtschaft aus
  • Kreditbedingungen: Verschärfte Kreditbedingungen signalisieren oft eine kommende Abschwächung

Diese Indikatoren haben sich für mich als besonders wertvoll erwiesen, um größere Marktwendepunkte zu antizipieren.

3. Markttechnische Indikatoren

Technische Indikatoren helfen, Phasenübergänge in Echtzeit zu erkennen:

  • Breadth-Indikatoren: Wie die Advance-Decline-Line oder der Prozentsatz von Aktien über ihrem 200-Tage-Durchschnitt
  • Stimmungsindikatoren: Put-Call-Ratio, Umfragen unter Anlegern, oder der VIX (Volatilitätsindex)
  • Relativer Sektor-Performance: Die Führung wechselt typischerweise zwischen zyklischen und defensiven Sektoren je nach Marktphase

Mein persönlicher Favorit ist die Kombination aus der 200-Tage-Linie des breiten Marktes, sektorspezifischen relativen Stärkeindikatoren und dem VIX.

4. Die “Smart Money”-Beobachtung

Institutionelle Investoren und Insider handeln oft antizyklisch:

  • Insider-Transaktionen: Vermehrte Käufe durch Unternehmensinsider in Baissephasen sind oft ein positives Signal
  • Institutionelle Cash-Quoten: Hohe Cash-Quoten bei Fondsmanagern bieten oft “Treibstoff” für neue Bullenmärkte
  • Short-Interest: Extreme Werte können auf bevorstehende Trendwenden hindeuten

Die Kombination dieser Indikatoren hat mir geholfen, die letzten drei großen Marktwendepunkte erfolgreich zu antizipieren.

Praktische Anwendung für Ihr Portfolio

Wie können Sie diese Erkenntnisse konkret nutzen? Hier mein Vier-Schritte-Ansatz:

Schritt 1: Bestimmen Sie die aktuelle Zyklusphase

Analysieren Sie monatlich die wichtigsten Indikatoren und bestimmen Sie, in welcher Phase sich die Wirtschaft und der Markt befinden. Wichtig ist, nicht nur auf Aktienkurse zu schauen, sondern das Gesamtbild zu erfassen.

Schritt 2: Passen Sie Ihre Asset-Allokation an

Basierend auf der Zyklusphase sollten Sie Ihre Vermögensaufteilung anpassen:

  • Erholungsphase: Übergewichtung von Aktien, besonders zyklische Werte
  • Expansionsphase: Ausgewogene Allokation mit Fokus auf Wachstumsaktien
  • Abschwächungsphase: Graduelle Erhöhung defensiver Positionen und Cash
  • Kontraktionsphase: Deutliche Übergewichtung von Cash, Qualitätsanleihen und defensiven Aktien

Schritt 3: Sektorrotation umsetzen

Verschiedene Sektoren performen in unterschiedlichen Zyklusphasen besser:

  • Frühzyklisch: Finanzen, Konsum, kleine Wachstumswerte
  • Mittlerer Zyklus: Technologie, Industrie, Grundstoffe
  • Spätzyklisch: Energie, Basiskonsumgüter, Gesundheit
  • Rezession: Versorger, ausgewählte Gesundheitswerte, Cash

Ich empfehle eine graduelle Rotation zwischen diesen Sektoren, wenn die Anzeichen für einen Phasenwechsel zunehmen.

Schritt 4: Regelmäßige Überprüfung und Anpassung

Überprüfen Sie monatlich, ob Ihre Zykluseinschätzung noch aktuell ist. Marktzyklen folgen keinem festen Zeitplan – manche Phasen dauern Jahre, andere nur wenige Monate.

Häufige Fehler bei der Zyklusanalyse

  1. Zu frühes Handeln: Zykluswechsel benötigen oft Bestätigung durch mehrere Indikatoren.

  2. Übermäßiges Timing: Versuchen Sie nicht, jeden kleinen Schwung zu timen. Fokussieren Sie sich auf größere Zykluswechsel.

  3. Vernachlässigung struktureller Trends: Langfristige strukturelle Veränderungen (wie Digitalisierung oder demografischer Wandel) können zyklische Muster überlagern.

  4. Recency Bias: Der Glaube, dass der aktuelle Zyklus dem letzten ähneln wird. Jeder Zyklus hat seine einzigartigen Charakteristika.

Mein persönlicher Ratschlag

Nach drei Jahrzehnten an den Märkten rate ich Ihnen: Werden Sie ein Student der Marktzyklen. Nichts hat meinen Anlageerfolg mehr beeinflusst als die Fähigkeit, Wendepunkte zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Denken Sie daran: Die größten Anlagechancen entstehen oft, wenn die Marktstimmung am negativsten ist, und die größten Risiken lauern, wenn der Optimismus seinen Höhepunkt erreicht. Wie Warren Buffett so treffend sagte: “Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und gierig, wenn andere ängstlich sind.”

Ich hoffe, diese Einblicke helfen Ihnen, Marktzyklen besser zu verstehen und für Ihre Anlagestrategie zu nutzen. Wenn Sie weitere Fragen zur Zyklusanalyse haben oder Unterstützung bei der Interpretation aktueller Marktbedingungen benötigen, steht Ihnen unsere Assistentin Anna Keller gerne zur Verfügung.

Mit den besten Wünschen für Ihren Anlageerfolg,

Gil Blake
Chefanalyst
QuantumCompute Handelsinstitut